1877 - 1962
Wer sich heute beruflich beraten lässt, bekommt zu hören, am besten sei, sich eine Fachkompetenz anzueignen. Das ist soweit hoffentlich unbestritten, zumal gegenwärtig und auch in absehbarer Zukunft Fachkräfte offenkundig fehlen. Wenn jemand jetzt noch eine vertiefte Speziali- sierung durchläuft, erscheint die eigene Lage sogar in einem rosigen Licht.
Tut sie das aber auch tatsächlich? Wir wissen nicht, was uns blüht – selbst bei angesagten günstigen Wirtschaftsprognosen nicht. Es kann immer anders kommen, als man denkt; beste fachliche Kenntnisse kann es dabei treffen. Darum gehört zu jedem Fach auch eine gewisse Vielseitigkeit. Solche Konstellationen sehen viele Menschen jedoch nur bei andern oder bei herausragenden Persönlichkeiten, leider zu wenig bei sich selber.
Hermann Hesse ist unbestreitbar eine solche herausragende Figur. Seine Biografie lädt geradezu ein, um Vielseitigkeit zu postulieren, sprich: dazu einzuladen, den eigenen beruflichen und geistigen Horizont stetig zu erweitern. Sicher, die Zeitumstände mit den Kriegen und einem abstossenden Regime lieferten Stoff und waren ihm Herausforderung genug, um über Besseres nachzudenken. Aber man muss solches tatsächlich auch tun, selbst unter Schwierigkeiten.
Im wohl berühmtesten seiner vielen Werke, dem mehrfach übersetzten «Steppenwolf» bringt er die ganze innere Zerrissenheit eines Menschen zum Ausdruck: seine Angepasstheit und seinen zugleich steppenwölfischen Charakter. Im «Glasperlenspieler» sieht dies poetisch aus. Hier erscheint die Hauptfigur gleich als Musikmeister, Regenmacher, Yogin oder Beichtvater, dem er gerne als Knecht dienen will, so sehr zieht es ihn zu ihm hin.
Die Wirtschaft braucht wohl keine Regenmacher und keine Knechte, wohl aber Menschen, die mehr im Leben wollen als allein die Pflege ihres engen Gärtchens. Die es im Gegenteil verstehen, zur rechten Zeit einen gewichtigen Einwand in kritischer Lage vorzutragen.